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27
Feb
2010

...

Ich bin müde, habe nicht viel geschlafen. Hier neben mir liegen der Schlüssel und die beiden Briefumschläge mit den Codes. Dass ich heute Chef bin, habe ich daran gemerkt, dass meine Fingerkuppen vom Sicherheitssystem plötzlich an Stellen im Schiff akzeptiert wurden, wo sie bis gestern noch nichts zu suchen hatten. Aber ab heute nacht muss ich regelrecht aufpassen, wo ich hinfasse. Ich kenne den Plan für den heutigen Tag. In etwa 3 Minuten werde ich damit beginnen, die Sequenz zu autorisieren, die sich dann nicht mehr stoppen lassen wird, von niemandem. Der Käpt'n hat Migräne oder Grippe oder Schiss oder ist plötzlich melancholisch geworden, und exisitert heute formal nicht. Nicht im Dienstplan, nicht im Sicherheitssystem. Ein kranker Käpt'n wird für die Dauer seiner Krankheit automatisch zurückgestuft auf den Status eines Küchenjungen...prickelnd an dieser Regelung ist, dass jetzt nur wieder der erste Offizier den Chief wieder einsetzen kann, nachdem der Medikus seine Stimme gegeben hat, naja wenigstens eine kleine Rache für diesen unfeierlichen Umgang mit mir.
Ich wünschte, ich würde irgend etwas feierliches oder außerordentliches in mir spüren, aber auch dieser Tag fühlt sich für mich an wie irgendein - ja - Donnerstag - eben. Wir haben Donnerstag. Tatsächlich. Auch der Kaffee aus der Maschine schmeckt wie immer beschissen. Ich habe Juli bereits seit heute nacht 4 Uhr in der Leitmatrix unserer biosensorischen Follower groß gestellt. Ich habe ihr beinahe ununterbrochen dabei zugesehen, wie sie sich auf den Weg zu unserem Schiff immer weiter annähert. Sie wird die einzige sein, die das Schiff betreten wird. Die anderen werden von der Sequenz in den terminatorischen Radius eingeschlossen, der ihr Gedächtnis langsam auslöscht oder so modifiziert, dass sie ihren halbwegs illusorischen Existenzen wieder nachgehen können. Sie werden sich unmerklich normalisieren und schließich in der Statistik aufgehen. Empfinde ich bei dem Gedanken etwas? Keine Ahnung. Sie waren ja so viel in ihrer Vitalusion. Haben sich hinreissen lassen, sind kriminell geworden, eifersüchtig, unsterblich geil, hoch verliebt, waren eingesperrrte Grafen oder gräfliche Eingesperrte, Orchideenexperten, Kellner, Liebhaber oder... oder... haben sich schließlich sogar genötigt gesehen, manchmal Karrieren zu wechseln, vom Wissenschaftler zum Taxifahrer zum Gigolo und wieder zurück, naja..wie das Leben so spielt....
Ist es schade um all diese Auserwählten? Ich weiß es nicht. Wer ist denn nicht auserwählt? Das Protokoll legt keine Wege fest, nur die Spielräume. Und genau deshalb war das alles kein Spiel, eben weil es so gespielt wurde. Juli allein wird das Schiff betreten. Wir haben mit einer höheren Quote gerechnet. Dabei könnte ich aber jetzt garnicht sagen, ob es für Juli die "gute" Lösung ist. Das bleibt alles nicht wirklich entschieden, wie so vieles auf unserer Reise.
Juli kommt. Ich werde jetzt die Sequenz mit dem ersten Code autorisieren und dann die Sekundärrroutine in Gang setzen. Nach dem zweiten Code kann niemand mehr irgendetwas daran ändern.
Herzlich willkommen an Bord, Juli. Der Kaffee schmeckt wirklich beschissen. Log-Eintrag beenden, Afex, danke und stop.

Was ist heute eigentlich für ein Tag? Das sollte ich wissen. Immerhin wurde mir ab heute die Position des ersten Offiziers übertragen.
Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll, ausgerechnet heute diese Position verantworten zu müssen. Der Käpt'n hat Grippe, heißt es. Und ich habe immer gedacht, der Tag, an dem man mich als 1. Offizier einsetzt, beginnt mit einem Liedchen der Mannschaft, einer feierlichen Einführungsrede und vielleicht mit so etwas wie einem Küsschen von Frau Navigator - aber was passiert? - Ich kriege einen läppischen autorisierten Diensteintrag über den maschinellen Dienstplan, auf dem mein Name plötzlich ganz oben steht, dazu einen kurzen Anruf von der zickigen Assistentin, ich müsse das heute mal machen, der Chief fühle sich nicht so. Dafür habe ich also 8 Jahre auf der Akademie gebüffelt.
Orpheus

Die Reise

in das Vergangene und wie es zu ihr kam. Eine kleine Studie in poetischer Logik.

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